Gewahrsein ist schon Erleuchtung

Frage:

 

Gerade ist sehr präsent, dass jede Wahrnehmung eines Gedankens, einer Körperempfindung, Gefühls einfach passiert. 

Was jetzt? Einfach weiter schauen?

Bin gerade irgendwie auch durcheinander. Beobachter bin ich nicht, obwohl Wahrnehmung passiert, und das Wahrgenommene kann ich nicht sein.

 

Antwort:

Ja, einfach weiter schauen. Die Welt ist ein Prozess. Ein Fluss der sich immerzu verändert. Es kann und wird nie ein stabiles Ankommen geben.

 

Die Lösung liegt wirklich im Schauen. Im Schauen aus dem Absoluten. Aus dem Raum jenseits von Zeit und Raum. Und wo liegt dieser Raum? Na – genau hier. Weil er ist überall zugleich.

 

Praktisch bedeutet das – Schauen ist einfaches, ungerichtetes Gewahrsein. Das Bewusstsein selbst. Solange du wach bist, bist du bewusst. Und jetzt schaust du in die Welt und bemerkst ganz entspannt und ohne Wollen und Wunsch, was in deinem Bewusstsein passiert. Sehen, Hören, Emotionen, Gedanken. Alles verändert sich unentwegt.

 

Aber was ist dabei stabil? Das Gewahrsein selbst. Das Bewusstsein selbst. Und das nimmt sich selbst wahr. Es geht nicht um ein Ankommen. Es geht nicht um den Zustand der Erleuchtung. Es geht darum, das zu finden, was auch jetzt und schon immer da ist. Den Raum in dem alles passiert. Den Raum, der alles IST.

 

Erleuchtung, Erwachen bedeutet nur, das zu erkennen. Es ist ohne Wert aber von immenser Schönheit.

 

Du schaust und entspannst dich. Irgendwann hörst du auf zu sein und das Schauen alleine bleibt. Du selbst bist dann nur noch ein Gegenstand innerhalb des Schauens. Und irgendwann verschwimmt auch die Trennung zwischen dem Bewusstsein und seinen Inhalten und alles ist ein lebendiges SEIN.

 

Schau einfach und genieße, wie das Gewahrsein selbstleuchtend seiner selbst gewahr ist. Mehr kannst du nicht tun. Mehr brauchst du nicht tun. Und das tust du nicht, um irgendwo anzukommen. So zu schauen ist schon die Erleuchtung. Und das wird immer deutlicher, je länger du es praktizierst.Als ich gestern Mittag mein Mittagsspaziergang gemacht habe fragte ich mich folgendes: 

Meine Aufmerksamkeit kann im Vogelgezwitscher sein, im Rauschen des Wassers, im Körpergefühl, im Ein- und Ausatmen, im Gehen .... Wer/was entscheidet, wo mein Gewahrsein weilt? 

Es kann nach Belieben gewechselt werden ohne das HIER und JETZT zu verlieren.

 

Außer wenn wir im Tiefschlaf sind, sind da Bewusstseins-Inhalte. Diese Sinneseindrücke dienen evolutionär dazu, das Lebewesen am Leben zu halten. Der Stein muss nichts wissen. Die Pflanze nicht viel. Der Regenwurm schon mehr.

 

Ein Vogel, Affe oder Mensch jedoch braucht diese ganzen Informationen damit er seine Existenz und das fortbestehen seiner Art garantieren kann. Wo ist Nahrung? Ist das Giftig? Wo ist der Fressfeind? Wo das Weibchen? Wir sprechen hier über eine ungebrochene Kette der Perfektionierung welche bis an den Anfang der Zeit zurückreicht.

 

Die Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit zu bestimmen, womit und wie lange wir uns mit etwas beschäftigen. Wer von euch jemals LSD ausprobiert hat, weiß, dass wir in der Welt nicht lange überlegen können, wenn unsere Aufmerksamkeit überall gleichzeitig ist, bzw. die kognitiven Filter zur Fokussierung und Selektion nicht mehr richtig funktionieren.

 

Nicht im „Hier und Jetzt“ zu sein bedeutet, dass unsere Aufmerksamkeit vollständig von einem Bewusstseinsinhalt absorbiert ist. Das Beste Beispiel finde ich immer noch die Selbstvergessenheit während eines spannenden Kinofilms. Du spürst deine leichten Kopfschmerzen nicht mehr, der Streit mit deinem Chef ist vergessen, das Popcorn in deiner Hand existiert nicht mehr. Du bist nur noch die Handlung dort draußen. Wo bist du? Wo ist dein Körper? Vergessen!

 

Im „Hier und Jetzt“ zu sein bedeutet vor allem, immer ein wenig deiner Aufmerksamkeit, deiner Bewusstheit nach innen zu richten. Gleichzeitig während du auch da draußen bist.

 

Wer entscheidet also, wohin du deine Aufmerksamkeit lenkst? Keine Ahnung. Die Grundlagen des Lebewesen-Seins, soziokulturelle Einflüsse, Zufälligkeiten.

 

Aber so, wie auch das Bewusstsein immer da ist und alles was du erkennst in deinem Bewusstsein erscheint, sich verändert und vergeht, so kannst du lernen, dir gleichzeitig und jederzeit deiner eigenen Bewusstheit bewusst zu sein. Die äußeren Dinge verändern sich immerzu, aber dein Hier und Jetzt trägst du jederzeit in dir. Sei dir einfach deiner Selbst bewusst.

 

Zu meinem Weg gehört es (weil es ein tiefes inneres Bedürfnis ist) jeden Tag Zazen zu sitzen. Du schreibst nie davon. Ist das nicht ein elementarer Bestandteil ohne dessen wir gar nicht verstehen, was GEWAHRSEIN ist? Sitzt Du regelmäßig?

 

Oh was habe ich gesessen! Stunden, Tage, Monate, Jahre. Und mit meinem Erwachen wurde die Selbst-Präsenz von alleine stabil. Meine Bewusstheit heute ist nicht so umfassend wie es vor dem Erwachen war. Damals war alles Übung zum Ziel. Meditation ist das sicherste Mittel zum Erwachen – und es ist darüber hinaus sicher aus Selbstzweck. Es gut dem Menschen gut zu meditieren. Dazu gibt es viele Studien.

 

Aber ich meditiere schon lange nicht mehr. Keine Zeit. Keine Priorität. Ehrlich. Gerade stehe ich an einem anderen Punkt im Leben. Es kommt mir so vor, als hätte ich die letzten 1000 Leben sowieso nur in Höhlen und Kloster mit meditieren verbracht. Jetzt ist gerade mal ganz weltlich Familie und Arbeit angesagt.

 

Aber mit dem Erwachen, dem Verstehen, dem Erkennen, was ich nicht bin und was die Welt nicht ist, hat Meditation natürlich keinen Wert (mehr um Erleuchtung zu erlangen). Ich bin Meditation. Und zwar in dem Sinne wie oben beschrieben. Mein Bewusstsein ist ein fleckiger Spiegel aber er ist gerade sauber genug, damit Gott sich in jedem Moment selbst darin erkennt. Ich bin Selbst-Gewahrsein. Immer. Jetzt. Ewig.

 

Ich wünsche euch, dass ihr noch heute erkennen möget, dass alles schon immer vollkommen ist.